Götter des Olymp

 

„In Größe 42?“

 

Es ist eine Schande. Ich, Hermes, Sohn des Zeus, sitze hier am Telefon eines Callcenters und notiere Bestellungen.

 

„Kann ich sonst noch etwas für Sie tun?“

 

Athene ist am Arbeitsplatz neben mir und hat wieder diesen leidenden Gesichtsausdruck.

Dabei haben wir es noch gut getroffen, nachdem der Olymp geschlossen wurde.

 

Hera arbeitet in einer Kinderkrippe und darf Babybrei aufwischen und Windeln wechseln.

Poseidon ist Bademeister im Spaßbad an der Stadtgrenze.

 

„Danke für Ihren Einkauf und noch einen schönen Tag.“

 

Am schlimmsten ist Kerberos dran. Wachhund bei einem Gebrauchtwarenhändler. Drei Köpfe zum Preis eines Hundes.

 

Der Gebrauchtwagenhandel liegt direkt neben dem Beerdigungsinstitut, in das Hades als Juniorpartner einsteigen konnte.

 

Ich kann mich noch genau erinnern, als Hera die Götter und Halbgötter zu einer Generalversammlung gerufen hatte.

 

Pleite seien wir. Die Menschen würden nicht mehr an uns glauben und somit auch nichts mehr opfern.

 

Wir hätten eine Woche, uns Jobs und Unterkünfte in der Welt der Sterblichen zu suchen. Der Olymp sei an ein aufstrebendes Chinesisches Unternehmen verkauft worden.

 

Der Tumult, der nach dieser Ankündigung ausbrach, war gigantisch.

 

Man könne so was doch nicht mit uns machen – wir wären schließlich Götter.

 

Aber es half nichts. Wir mussten unsere Heimstatt verlassen.

 

Hera gab uns noch mit auf den Weg, dass wir Griechenland besser ganz verlassen sollten, da das Land selbst am Rande der Pleite stehe und wir besser in einem solventeren Land aufgehoben wären.

 

Das war vor drei Monaten.

 

Eine kleine Einzimmerwohnung und den Job im Callcenter hatte ich relativ schnell gefunden. Die Dame im Personalbüro war sichtlich amüsiert, als ich meinen Namen als Hermes vom Olymp angab. „Niedlich“ fand sie das.

 

Noch 10 Minuten und meine Schicht ist vorbei. Wieder ein Arbeitstag hinter mich gebracht.

 

 

Wochenende.

 

Heute Abend sind wir zu Dionysos eingeladen.

 

Abhängen, Wein trinken und über die vergangenen Zeiten reden.

 

Wie immer wird  Hephaistos  Aphrodite bezichtigen, ihn zu betrügen. Ares wird wieder einmal laut von der Eroberung der Welt träumen und Artemis darüber schimpfen, dass alle Männer gleich sind und die Welt ohne sie besser wäre. Sie hatte sich schnell einer dieser militanten Frauengruppen angeschlossen. Apollon wird wieder eines seiner Gedichte vortragen und Demeter  von ihrer Arbeit auf der Entbindungsstation der Städtischen Klinik schwärmen.

 

Eigentlich sind die Wochenenden gar nicht so anders, als die vergangenen Zeiten im Olymp.

 

Feierabend.

 

Jetzt muss ich noch schnell in den Supermarkt ein paar Knochen für Kerberos und Knabberkram für uns übrige kaufen. Dann holen wir Poseidon ab und die Feier bei Dionysos kann beginnen.

 

Ich kann nur hoffen, dass der Garten der Hesperiden nicht auch verkauft werden muss. Wir brauchen die Äpfel daraus für unsere ewige Jugend. Gar nicht auszudenken was geschieht, wenn Aphrodite die ersten Falten in Spiegel entdecken sollte.

 

Doch genug nachgedacht. Schnell eingekauft und dann ab zum Spaßbad. Poseidon wartet bestimmt schon ungeduldig auf uns. Er wird immer so schnell wütend, wenn er seinen Willen nicht bekommt und übertreibt es dann mit den Wellen in den Schwimmbecken. Ich möchte nicht für den nächsten Tsunami vor dem Kinderplanschbecken verantwortlich sein.

 

 

Thema: Götter des Olymp

Und hier noch mal

Datum: 08.04.2012 | Autor: Riedel

Ich finde sie lustig, genial und einfach toll geschrieben. Ich hoffe meine Freunde finden auch hierher und können daran teilhaben. Danke für dieses frische und lustige Werk!

LG Riedel

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